Die Arbeit am Bild, mit sich selbst und anderen
Eine Scheibe Brot mit Butter, die eigene Hand, Gewebeband und die Verpackung von Kopfschmerztabletten. All diese Dinge befinden sich im Atelier der Fotografin Laura Bielau. Was sie damit macht, ist Arbeit. Ihre gleichnamige Publikation erscheint nun bei dem Leipziger Verlag Spector Books.
Laura Bielau, o.T., aus ARBEIT, 2016, Silbergelatineabzug, 71 x 124 cm
Mit
ihrer Serie von 32 Schwarzweißfotografien legt Laura Bielau ein Werk
vor, das Fürsorge und Austausch ebenso als Arbeit anerkennt wie die
künstlerische (Erwerbs-)Tätigkeit. Im Inneren des Buches entfaltet
sich ein Raum, der zunächst von den Gegenständen in Bielaus Atelier
erzählt. Sie selbst ist als Fotografin Teil dieses Gefüges und
durch ihre Gliedmaßen und Sinnesorgane repräsentiert. Die
abgebildeten Objekte stehen für Bielaus alltägliche künstlerische
Auseinandersetzung, die körperliche und geistige Dimension ihrer
Arbeit, die dafür unabdingbare Sorge sowie die Pflege von Kontakten
zu sich selbst und anderen. In dieser Lesart ist das Bild einer
Scheibe Brot mit Butter ein Ausdruck existentieller Bedürfnisse. Die
eigene Hand wird zur Voraussetzung, um tätig zu sein. Sie kann sich
aber auch, wie in der Abbildung zweier verschlungener Fäuste, in
eine Kraftanstrengung gegen sich selbst wenden. Die Bilder wirken
zunächst sachlich und in ihrer Zusammenstellung unendlich
erweiterbar, doch Bielau erkennt gerade in der scheinbaren
Einfachheit der Fotografie die Herausforderung für ihre Arbeit.
Laura Bielau, o.T., aus ARBEIT, 2016, Silbergelatineabzug, 71 x 50,3 cm
Der Artikel erschien unter dem Titel Eine Scheibe Butterbrot in: taz. die tageszeitung, 23. Juni 2021
Mit
ihrer Serie von 32 Schwarzweißfotografien legt Laura Bielau ein Werk
vor, das Fürsorge und Austausch ebenso als Arbeit anerkennt wie die
künstlerische (Erwerbs-)Tätigkeit. Im Inneren des Buches entfaltet
sich ein Raum, der zunächst von den Gegenständen in Bielaus Atelier
erzählt. Sie selbst ist als Fotografin Teil dieses Gefüges und
durch ihre Gliedmaßen und Sinnesorgane repräsentiert. Die
abgebildeten Objekte stehen für Bielaus alltägliche künstlerische
Auseinandersetzung, die körperliche und geistige Dimension ihrer
Arbeit, die dafür unabdingbare Sorge sowie die Pflege von Kontakten
zu sich selbst und anderen. In dieser Lesart ist das Bild einer
Scheibe Brot mit Butter ein Ausdruck existentieller Bedürfnisse. Die
eigene Hand wird zur Voraussetzung, um tätig zu sein. Sie kann sich
aber auch, wie in der Abbildung zweier verschlungener Fäuste, in
eine Kraftanstrengung gegen sich selbst wenden. Die Bilder wirken
zunächst sachlich und in ihrer Zusammenstellung unendlich
erweiterbar, doch Bielau erkennt gerade in der scheinbaren
Einfachheit der Fotografie die Herausforderung für ihre Arbeit.
Laura Bielau, o.T., aus ARBEIT, 2016, Silbergelatineabzug, 71 x 50,3 cm
In
der formalen Gestaltung und Anordnung der Fotografien thematisiert
Bielau die Arbeit am Bild als einen Prozess konzeptueller und
künstlerischer Entscheidungen. Dabei agiert sie frei von
fotografischen Konventionen und Erwartungen. Ihre Bilder entsagen
sich oberflächlicher Attraktivität und technischer Perfektion. Sie
zeigt Flecken auf der Linse und bemüht sich nicht um eine saubere
Retusche. Ihre in Grautönen gehaltene Fotografie ist losgelöst von
den Größenverhältnissen der eigentlichen Objekte und setzt diese
fast ohne Tiefenwirkung ins Bild. Bielau findet so eine formale
Ebene, die die Objekte der Arbeit in abstrakte Formen übersetzt und
ihnen eine Präsenz fernab ihrer Funktion zugesteht. In dieser
Abstraktion lassen sich zahlreiche Verbindungen zu anderen
Künstler*innen ausmachen. Die fragilen aber bestimmten Linien in
einem aufgeschlagenen Heft lassen an die minimalistischen Zeichnungen
von Agnes Martin denken. Die von Hand gemalte Sprechblase, die über
den Rand des Bildes hinausragt, erinnert an die gespielte Banalität
der einst Grenzen überschreitenden Pop Art und die Brotschreibe ist
auch ein Sujet von Hans-Peter Feldmann. Bielau beschreibt die
Beziehungen zwischen den Werken als Komplexität und Vernetzung
innerhalb der Kunst. Die Rezeption und der Austausch mit Positionen,
Konzepten und Erfahrungen gehen in ihr Werk ein und zeigen eine
weitere Dimension von Arbeit als eine beständige Beschäftigung und
Teilhabe.
Was
Bielau in ihrem Werk nicht zeigt, ist vermeintliche Produktivität.
Vielmehr ist die Serie eine Suche nach den elementaren und
grundlegenden Dingen der Arbeit am Bild, an und mit sich selbst und
anderen. Bielau ist nicht streng, mahnend oder belehrend, sondern
immer wieder subtil humorvoll. Etwa wenn Ameisen – ein
wiederkehrendes Motiv in ihrem Schaffen – durch das Atelier
laufen, Bahnen aus gestreifter Zahnpasta monumental das Bild besetzen
oder die Umrisse von Turnschuhen so unprätentiös und ohne Rücksicht
auf Verluste am ursprünglichen Foto freigestellt wurden.
Laura Bielau, o.T., aus Arbeit, 2018, Silbergelatineabzug, 71 x 105 cm
Bielau, Jahrgang 1981 und geboren in
Halle an der Saale, hat nach
ihrer Ausbildung zur Fotografin bei Timm Rautert und Peter
Piller an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert.
Bereits 2015 zeigte sie Auszüge
aus Arbeit als Ausstellung. Nun, nach einem Jahr Coronapolitik,
Homeoffice und Quarantäne, scheint dieses Werk umso dringlicher. Was
ist Arbeit? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Oder mit Hannah
Arendt gefragt: Was tun wir, wenn wir tätig sind?
Bielaus Auseinandersetzung mit diesen
Fragen begann in Industriebetrieben und Fabriken, wo sie die
Angestellten im Wechsel von Tag- und Nachtschicht fotografierte.
Schließlich richtete sie ihren
Blick auf sich selbst, um sich diesem großen allumfassenden Thema zu
widmen. Arbeit ist für sie eine Konstante lebendigen Daseins, die
sich in ihrer physischen, psychischen und sozialen Dimension nicht in
ökonomischen Debatten auflösen lässt. In diesem Sinne ist Bielaus
Serie Arbeit eine
konsequente und gleichermaßen behutsame Annäherung, die nichts als
banal oder selbstverständlich abtut. Am Ende steht das
künstlerische Werk. Es ist mehr als das Ergebnis von Arbeitsabläufen
und dennoch nicht das einzige Resultat dieser Arbeit.
Der Artikel erschien unter dem Titel Eine Scheibe Butterbrot in: taz. die tageszeitung, 23. Juni 2021